Wachsen - dem Himmel entgegen

Bewölkter Himmel über Stockelsdorf, leichter Regen, Tageshöchsttemperatur 5°C. Bei diesem Wetter lässt sich von Sonne, Licht und Wärme nur träumen. Und erst recht vom rauschenden Laub der Bäume, vom Summen der Bienen und duftenden Blumen im Sommergarten. Noch ein halbes Jahr bis zum August, und selbst der Mai bleibt noch drei Monate fern. Und doch wachsen sie, die Schneeglöckchen, und strecken sich aus dunkler Wintererde dem Himmel entgegen - als ob sie ein Zeichen setzen wollten gegen das Gefühl und die Sorge, Kälte und Finsternis könnten für immer bleiben. So ungemütlich, unwirtlich und dunkel unsere Zeit auch gerade sein mag, die Dunkelheit vergeht. Ihre Macht ist längst gebrochen. Als ob sie sich auf das zunehmende Licht verließen, haben die Schneeglöckchen begonnen, ihre weißen Blüten auszubilden. Ganz zaghaft noch und kaum zu sehen strecken sie sich dem Himmel entgegen. Es scheint fast, als vertrauten sie, wie unsereins es darf, auf das prophetische Wort (Jesaja 60,2): Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.

Martin Haasler