Mitten unter uns

Seit Tagen beobachte ich die Winterlinge unter der Gartenhecke. Obwohl manche Ja-nuarnächte eiskalt sind und das Tageslicht oft grau und schummrig, sind die Winter-linge gewachsen, haben ihre leuchtend gelben Knospen ausgebildet und emporge-streckt. Weder Raureif noch Regen können ihnen etwas anhaben. Und heute Mittag, da ein diffuses Sonnenlicht das Bleigrau der letzten Tage durchbricht, blühen sie strahlend auf. Zum ersten Mal in diesem jungen Jahr. Und als erste unter den Blumen in meinem Garten. Andere werden ihnen folgen. Schneeglöckchen, Märzbecher, Kro-kusse, Tulpen, Narzissen und so weiter. Die Präsenz der Winterlinge beendet den Winter nicht, und Kälte, Eis und Schnee können noch kommen. Aber die Winterlinge machen den Anfang. Etwas Neues ist im Kommen. Kein Winter dauert ewig. Selbst die noch nicht einmal angebrochenen sieben langen, dunklen Wochen der Passionszeit können das helle, warme Osterlicht nicht aufhalten. Die Winterlinge blühen schon im Januar und erinnern mich daran, was Jesus antwortete, als er gefragt wurde, wann das Reich Gottes kommen werde: »Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Anzeichen erkennen kann. Man wird auch nicht sagen: ›Schau her, hier ist es!‹, oder: ›Dort ist es!‹ Nein, das Reich Gottes ist schon da – mitten unter euch.« (Lukas 17,21). Die Anfänge des Gottesreiches mögen klein sein und unschein-bar wie die winzigen Winterlinge im alten Laub unter der Gartenhecke. Aber sie sind da. Zwar nicht überall. Aber unverkennbar vielerorts. Und da, wo sie wachsen, da blü-hen sie jetzt auf, die Winterlinge, farbenfroh und leuchtend. Schauen Sie sich nur um!

Pastor Martin Haasler