Im Pastoratsgarten sind die Äpfel reif
Ihre frischen Farben leuchten in der warmen Herbstsonne und der unverwechselbare Duft, den die für die Ernte bereiten Früchte verströmen, gefällt offenbar auch Scharen von Wespen und anderen Insekten, die sich an dem süßen Fruchtfleisch gütlich tun und so der perfekten verlockenden Apfelschönheit ein rasches Ende bereiten. Das Geschehen, das sich in diesen Tagen am Apfelbaum beobachten lässt, bietet ein ungeheures Spektrum von Sinneseindrücken und Assoziationen, die zur Fülle der Bedeutungen des Symbols „Apfel“ in der christlichen Tradition beitragen. Obwohl gar nicht feststeht, dass der biblische Baum der Erkenntnis Äpfel getragen hat, zeigen zahllose Darstellungen des Sündenfalls neben der Schlange, Eva und Adam auch einen Apfel als unwiderstehlich verführerische Köstlichkeit, mit dessen Genuss die Vertreibung aus dem Paradies und mit ihr der Anfang allen Übels in der Menschheitsgeschichte verbunden ist. Nur zu gut passt dazu, dass das lateinische Wort "malus" nicht nur Apfel, sondern auch "böse, schlecht" bedeutet. Doch das christliche Brauchtum verbindet im Symbol "Apfel" nicht nur die abgründige Spannung zwischen dem unwiderstehlichen Reiz des Verbotenen in vollendet schöner Gestalt und des Tod bringenden Übels der menschlichen Sündhaftigkeit und Verderbtheit, sondern sie drückt mit dem Apfel, der als rote Kugel am Weihnachtsbaum hängt, auch die Glaubenshoffnung aus, dass Jesus Christus, der als Mensch geboren, am Kreuz gestorben und von den Toten auferstanden ist, das verlorene Paradies zurückerobert hat. Wen wundert es da, dass Martin Luther nachgesagt wird, noch am Tag vor dem Weltuntergang ausgerechnet einen Apfelbaum pflanzen zu wollen? - Genießen Sie die schöne Zeit der Apfelernte!
Pastor Martin Haasler